Roman Russo, Green Consultant des mit dem Eisvogel ausgezeichneten “Tatort Dortmund – Gier und Angst“, gibt Einblick in seine Vorgehensweise
Welche Zielsetzungen sind in der Planung und Vorbereitungsphase adressiert worden, um den „Tatort Dortmund – Gier und Angst“ möglichst grün zu produzieren?
Bei diesem Projekt sind wir alle Möglichkeiten durchgegangen. Zunächst habe ich mit dem Produktionsleiter darüber gesprochen, was sich umsetzen lässt. Beim Catering bedeutete das, Verwendung von Mehrweggeschirr und Lunch-Boxen. Ich habe mit der Catering-Firma gesprochen, wie sich das realisieren lässt.
Die Anmietung eines CNG-betriebenen LKWs war schon früh ein Thema. Das erfordert die Bereitschaft, sich den CNG-LKW erklären zu lassen, da die Betankung etwas Neues ist. Einen Hybrid-Generator haben wir nicht benötigt, da wir nur Festnetzstrom verwendet haben. Diesbezüglich habe ich Gespräche mit der Motiv-Aufnahmeleiterin geführt. Darüber hinaus haben wir geprüft, ob sich im Bereich bestimmte Set-Bauten vermeiden lassen.
Wie erfolgte die Identifikation der wichtigsten Maßnahmen? Worauf wurde der Schwerpunkt gelegt und warum?
Es war klar, dass bei dieser Produktion viele Fahrten anfallen, da auch in Dortmund gedreht wurde. Da ein Schwerpunkt der Bereich Catering war, habe ich mich frühzeitig mit der Abfalltrennung auseinandergesetzt. Die städtischen Entsorger sind nur bedingt in der Lage, eine Filmproduktion zu bedienen, da diese von ihnen als Event betrachtet wird. Deshalb habe ich frühzeitig die Zulieferer angesprochen.
Darüber hinaus wurde bei dieser Produktion auf Flüge verzichtet und kleine Rollen sind regional besetzt worden.
Wie aufwändig war die Umsetzung in Hinblick auf die Beschaffung?
Beim ersten Gespräch konnte ich mein Wissen als Green Consultant einbringen und die Anmietung eines CNG-betriebenen LKWs vorschlagen, den wir bei Maier Bros. gemietet haben. Die Anmietung der Festnetzanschlüsse gestaltete sich hingegen als schwierig.
Wie sah die interne Kommunikationsstrategie an Cast und Crew in Bezug auf die grünen Maßnahmen aus?
Es gab einen wöchentlichen Newsletter, der an das ganze Team verschickt wurde. Darin wurden Cast und Crew vermittelt, dass wir mit unserem Tatort an der Nachhaltigkeitsinitiative „100 Grüne Produktionen" teilnehmen und ich sie als Green Consultant mit Ratschlägen und Tipps bei der ökologischen Planung unterstütze. Auf der Agenda standen dabei Themen wie die Nutzung von 100 Prozent recyceltem Papier, digital ausgegebenen täglichen Dispositionen und Drehbüchern. Im Bereich Mobilität wurde angestrebt, Reisen per Zug zu unternehmen, Hybrid-Fahrzeuge und LKWs mit der Norm Diesel-6 zu verwenden und am Motiv auf Generatoren zu verzichten. Das Ziel war, überall auf Baustrom umzusteigen und möglichst Ökostrom zu beziehen. Dabei ist darauf zu achten, dass PRCD-Stecker für das Endgerät vorhanden sind, damit mit der intensiveren Feststromnutzung keine höhere der Gefährdung der Arbeitssicherheit einhergeht.
Beim Catering stand fest, dass es kein Einweggeschirr geben wird, sondern wir Mehrweggeschirr verwenden. Um der Massentierhaltung Einhalt zu gebieten, haben wir einen Veggie-Tag angekündigt sowie einen Tag, an dem statt Fleisch Fisch serviert wurde. Das Essen wurde möglichst regional und saisonal eingekauft. Für das Mitnehmen von übrig gebliebenem Essen wurden Lunch-Boxen angeboten. Zudem wurde das Team gebeten, die Abfalltrennung zu respektieren.
Welche der umgesetzten Maßnahmen hatten den größten Effekt bezüglich der CO2-Einsparungen?
Die meisten CO2-Emissionen sind durch den Verzicht auf Generatoren durch Festnetzstrom am Motiv, den Einsatz des CNG-betriebenen LKWs sowie im Bereich Catering eingespart worden.
Waren mit der Umsetzung dieser Maßnahmen Einsparungen oder zusätzliche Kosten verbunden?
Während den Einsatz des CNG-betriebenen LKWs Kosten für Diesel gespart hat, sind durch die Baustromanschlüsse Mehrkosten entstanden. Auch das Catering war teurer. Und nicht zu vergessen ist die vom Team geleistete Mehrarbeit, die nicht wirklich bezahlt ist.
Welche der erfolgreich umgesetzten Maßnahmen lassen sich gut auf andere Produktionen übertragen?
Der Einsatz von E-Fahrzeugen und Hybridfahrzeugen lässt sich auf andere Produktionen übertragen, sofern ein entsprechendes Ladenetzwerk vorhanden ist. Auch die Verwendung regionaler und Bio-Produkte sowie Veggie-Tage können andere Produktionen übernehmen. Ganzheitliche Konzepte sind stets am überzeugendsten, denn das Team erkennt sehr schnell, wenn etwas nicht zu Ende gedacht ist.
Welche der implementierten grünen Praktiken besitzen einen Innovations-Charakter?
Die Lichtabteilung hat im Zusammenspiel mit der Kamera und den Verleihern bewiesen, dass das Bild nicht unter einem ökologischen Dreh leidet. Lösungen wie Festnetzstromanschlüsse, CNG-betriebene LKWs sowie Akkulösungen, die bereits auf Baustellen genutzt werden, sind bereits gebräuchlich und können insofern nicht als Innovation betrachtet werden,
Welche angestrebten Zielsetzungen ließe sich nicht realisieren?
Leider ist keine Trinkwasserleitung für den Catering-Wagen geliefert worden, die es uns ermöglicht hätte, auf in Flaschen abgefülltes Wasser zu verzichten. Es gab Lieferschwierigkeiten bei einem Bauteil, das benötigt wurde.
Wie groß war der mit der CO2-Bilanzierung verbundene Aufwand und Nutzen? Wie hilfreich ist ein solches Werkzeug?
Der Aufwand war sehr groß, da bei den „100 Grünen Produktionen“ viele Daten abgefragt wurden. Ich musste viele Gespräche mit dem Oberbeleuchter führen, um den Stromverbrauch rekonstruieren zu können und habe mehrmals die Dispositionen durchforstet. Ein derartiges Werkzeug ist hilfreich, weil es aufzeigt, wieviel CO2 verschiedene Verbräuche emittieren. Diese Informationen können die Entscheidungen des Produktionsleiters beeinflussen, mehr Mittel für bestimmte Maßnahmen einzusetzen.
Wie hat das Team auf die Einbindung eines Green Consultant reagiert und Sie bei Ihrer Arbeit unterstützt?
Ich hatte das große Glück, dass ich den Set-Aufnahmeleiter bereits gut kannte. Auch unser Produktionsleiter war sehr engagiert. Das Team war zunächst überrascht, aber alle haben es sehr begrüßt, dass ich mich gezielt auf die Umsetzung grüner Maßnahmen konzentriere. Dabei ist es mir zugutegekommen, dass ich jahrelang als Regieassistent gearbeitet habe und Erfahrungen mit der Kommunikation mit den Gewerken besitze.
Welche Erfahrungen und Lerneffekte resultieren für Sie als Green Consultant aus dieser Produktion?
Das Zusammenspiel der einzelnen Gewerke hinsichtlich der Bereitschaft, grüner drehen zu wollen, ist noch nicht selbstverständlich. Daher ist die Einbindung eines Green Consultant ins Team wichtig.
In diesem Kommunikationsprozess mit den Gewerken haben die Ansichten und Meinungen zum Grünen Drehen mich inspiriert, Lösungen für weitere Projekte zu entwickeln.
Ich schätze mich glücklich, dass ich als Green Consultant bei meinem ersten Projekt auf ein sehr aufgeschlossenes und engagiertes Team getroffen bin. Die Zielsetzung, grüner zu produzieren, sollte Normalität in der Branche werden.